von Friedhelm Chlopek
Weltweit werden bis Ende 2017 41 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. Das sind 2% mehr CO2 Emissionen als im Vorjahr. Das widerspricht eklatant den Klimazielen von Paris.
Dazu passt eine Nachricht aus dem Bundesumweltministerium: Deutschland wird sein Klimaziel für 2020 viel deutlicher verfehlen als bislang befürchtet. „Die Kohle verhagelt uns die Klimabilanz“, so Umweltministerin Hendricks im Oktober diesen Jahres zu diesem Thema.
Bis zu 6 Kohlekraftwerke könnten sofort problemlos stillgelegt werden
Deutschland produziert im Jahr 50 Terawattstunden Strom allein für den Export ins Ausland. Wobei es sich hier nicht etwa um einen geplanten Export handelt. Vielmehr werden die Überschüsse, verursacht durch Kohlekraftwerke, ins Ausland abgegeben. Dabei kann es durchaus dazu kommen, dass Deutschland für das Abnehmen eben dieses produzierten Stroms Geld bezahlen muss, um ihn überhaupt loszuwerden.
Würde man die Stromproduktion in Deutschland von 135 Terawattstunden im Jahr um eben jene 50 Terawattstunden zuviel produzierten Stroms auf 85 Terawattstunden pro Jahr reduzieren, könnte wir in Deutschland 5 bis 6 Kohlekraftwerke stilllegen. Der Nebeneffekt dieser Abschaltung: Der Strompreis könnte sinken. Der Grund hierfür ist sehr einfach: Der durch die Kohlekraftwerke zusätzlich produzierte Strom verstopft nicht mehr die Übertragungsleitungen. Es kommt zu weniger Netzengpässen, die Systeminflexibilitäten nehmen ab. Gäbe man die Einsparungen direkt an den Verbraucher weiter, könnte sogar die EEG-Umlage sinken. Und nebenbei würde die Stilllegung zu einer Reduzierung der CO2 Emissionen führen.
Hintergrund: Kohlekraftwerke sind nicht regelbar
Ein Kohlekraftwerk hat – neben der Tatsache, dass es ungeheure Mengen an CO2 ausstösst – einen weiteren, sehr entscheidenden Nachteil: Man kann ein Kohlekraftwerk nicht einfach mal schnell herunter- und dann wieder hochfahren. Im Gegensatz zu den regenerativen Stromerzeugern. Dass heisst also, dass die Kohlekraftwerke dauernd Strom produzieren, ob er nun gebraucht wird oder nicht.
Der in Deutschland zuviel produzierte Strom kann schlecht oder gar nicht gespeichert werden. In dem Zusammenhang hat die Energiewende Saarland schon früher darauf hingewiesen, dass wir beispielsweise im Saarland mit einem unterirdischen Pumpspeicherkraftwerk einen Teil dieses Stromes speichern könnten. Statt dessen hat die saarländische Regierunghi beschlossen, die stillgelegten, saarländischen Gruben zu fluten (er geht es zum Artikel) anstatt ein unterirdisches Pumpspeicherkraftwerk zu bauen.
Die Energiewende braucht flexible Energieerzeuger
Ein Windkraftwerk kann relativ schnell herunter- und wieder hochgefahren werden. Genauso übrigens wie eine Photovoltaikanlage. Die Energiewende, nimmt man sie ernst, braucht genau diese Art der flexiblen Energieerzeugung. Kohlekraftwerke können das nicht leisten. Sie sind in Kombination mit erneuerbaren Energien einfach nicht flexibel. D.h., dass sie auch noch dann Strom ins Netz einspeisen, wenn dieser schon gar nicht mehr benötigt wird. Wenn wir also die alten Braunkohlekraftwerke, die vor 1990 gebaut wurden, schnell abschalten, wäre die Netzstabilität in keiner Weise gefährdet. Im Gegenteil: Wir würden sie stärken.
Wir müssen uns klarmachen: Die selbst gesteckten Klimaziele bis 2020 (Senkung der CO2-Emissionen bis 2020 um 40% im Vergleich zu 1990) sind laut dem Chef des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, Mojib Latif, auf keinen Fall zu schaffen sind. Laut Mojib könne Deutschland noch 32% erreichen. Vorausgesetzt, wir würden sofort mit dem Ausstieg aus der Kohle beginnen.
Die Verantwortung der Politiker
Wie zynisch die verantwortlichen Politiker mit dem Thema „Energiewende“ umgehen, sieht man daran, wie wenig sie sich Gedanken um die Menschen machen, die bei einem Ausstieg direkt betroffen sind. Die Rede ist von den 20.000 bis 30.000 Arbeitsplätzen, die in Deutschland durch den Ausstieg zunächst wegfallen. Würden die verantwortlichen Politiker in Berlin die Energiewende so ernst nehmen, wie sie es den Menschen in Deutschland gerne vormachen, wären hier schon längst Massnahmen in die Wege geleitet, um diese Menschen entweder auf einen wohlverdienten Ruhestand vorzubereiten oder sie für andere Maßnahmen zu qualifizieren. Gemacht wird nichts.
Im Rahmen des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen hat das DWI (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) vorgeschlagen, eine Kohlekommission einzusetzen, die sich mit diesem Problem beschäftigt. Will man den Wandel tatsächlich, gehört es eben auch dazu, sich mit dem Strukturwandel in den betroffenen Bundesländern rechtzeitig zu beschäftigen und auch politisch das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen, damit dieser Wandel tatsächlich stattfinden kann.
Nicht zuletzt ist auch die deutsche Industrie gefragt. Hier liegen nach wie vor immense Potentiale, Energie einzusparen.